Die Verwandlung
In lapidarem Ton teilt der erste Satz der Erzählung das Ungeheuerliche mit: Gregor Samsa, ein gehetzter, die väterlichen Schulden abdienender Handlungsreisender, stellt nach dem Erwachen fest, dass er sich über Nacht in ein monströses Insekt verwandelt hat. Groteskerweise scheint dies Samsa - der Gleichklang zu >>Kafka<< ist beabsichtigt - nicht zu erschrecken; die Metamorphose wird als gegeben hingenommen. In Panik versetzt Samsa vielmehr, dass er den Dienst verschlafen hat, somit die Pflichten gegenüber den Eltern vernachlässigt und dieses >>Vergehen<< von seinem Chef geahndet werden wird. Von Schuldgefühlen geplagt, tritt Samsa vor seine Familie und den anwesenden Prokuristen, die der Anblick in Panik versetzt. Mitgefühl zeigt die Familie indessen keins: Der Vater treibt den Sohn brutal in sein Zimmer; später verwundet er ihn schwer. Die Mutter fügt sich in den Willen ihres autoritären Gatten. Die anfängliche Sorge der Schwester um den Bruder kehrt sich bald in Ekel. Abgeschnitten von aller Anteilnahme, vereinsamt und verwahrlost Samsa zusehends. Als er erfährt, dass der Vater heimlich ein kleines Vermögen horten konnte, leugnet er, dass seine Opferbereitschaft für die Familie, die sich rasch an die neue Lage gewöhnt, unnötig gewesen war. Wie ein >>Tier<< haben Familie und Firma Samsa jahrelang ausgebeutet; der Sohn ließ dies mit sich geschehen, um die eigene Existenz rechtfertigen zu können. Die >>Verwandlung<< ist folglich nur das konsequente Ende eines lange währenden Prozesses willig ertragener, permanenter Ausbeutung. Samsa revoltiert nicht gegen dieses Schicksal; er hat die Normen der Sklavenmoral vollständig verinnerlicht und beginnt sich als nutzlosen Parasiten zu betrachten: Pflichtbewusst bis in den Tod, will er der Familie nicht zur Last zu fallen, hungert sich zu Tode und wird wie Abfall entsorgt.
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